Bei all dem Gejammer über Personal- und Fachkräftemangel im Schulwesen habe ich mir mal überlegt, was macht eigentlich so den Beruf LehrerIn heute aus? Reicht der Begriff LehrerIn überhaupt?

Ein Lehrer oder eine Lehrerin ist eine Person, die andere Personen auf einem Gebiet weiterbildet, auf dem sie selber einen Vorsprung an Können, Wissen oder Erfahrung hat. Quelle: Wikipedia

Gut nun ist das mit dem Vorsprung bei einem Erstklässler noch recht einfach. Je weiter die Kinder aber auf ihrem Bildungspfad voranschreiten desto Enger wird das Feld auf dem ein Lehrer mehr weiß als das Kind.

Die Erwartung an GrundschullehrerInnen zum Beispiel scheint ja unter anderem zu sein das sie allwissend sind. Denn man kann sie ja offensichtlich fachfremd, also in Schulfächern welche sie nicht wissenschaftlich durchdrungen haben, einsetzen. In Sachsen studiert man tatsächlich im Lehramt für Grundschulen eben Grundschulpädagogik und ein konkretes Fach wie zum Beispiel Germanistik (Deutsch). Ersteres enthält dabei tatsächlich substantielle Mengen an Pädagogik und Schulrecht, sowie Grundlagen in weiteren relevanten Fächern. Im Job ist das dann egal ob man Deutsch studiert hat, man muss eben auch Englisch oder Mathe unterrichten als hätte man mehr als die Grundlagen verstanden. Man beachte hier wieder die Definition von LehrerIn.

Bei den weiterführenden Schulen ist es anders sortiert. Da rückt im Studium die Pädagogik weiter in den Hintergrund und man studiert eben zwei Hauptfächer wie Germanistik und Anglistik zum Beispiel. Dafür ist der fachfremde Einsatz meines Wissens nach in der Praxis seltener.

Doch was sind denn die Erwartungen an LehrerInnen heute? Sind sie wirklich noch nur LehrerInnen? Die Frage ist natürlich rhetorisch zu sehen. Wer heute als LehrerIn angestellt ist schlüpft täglich in verschiedenste Rollen und bei jeder wird Exzellenz erwartet, seitens der Gesellschaft im Allgemeinen und vieler Eltern im Speziellen.

Aus meinem eigenen Job kenne ich da den Begriff der T-Shaped EntwicklerInnen. Der SoftwareentwicklerInnen welche nicht nur eine Sprache oder eine Facette ihrer Arbeit kennen, sondern sich breiter aufstellen müssen. Ebenfalls für viele eine Herausforderung aber eigentlich nichts, verglichen mit denen heutiger LehrerInnen.

Hier nun ein paar der Rollen die mir gerade einfallen:

LehrerIn: ist die Grunderwartung und bringt die Fähigkeit mit Kindern Wissen zu vermitteln. Also das was man kann abzuspulen und zu bewerten ob es angekommen ist oder nicht. Stichwort: Kopf auf Wissen rein, Kopf zu.

Doch es bedarf heute neben der Fachexpertise auch der Fähigkeit diese an Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Lernständen zu vermitteln. Genauer gesagt ist die Erwartung von außen hier das jeder einen guten Abschluss bekommt und Lehrer Mittel und Wege findet jeden Schüler adäquat mit Wissen zu versorgen.

DigitalisierungsexpertIn: ist ja eh in aller Munde. Egal ob man nun mit dem Handy oder dem Wählscheibenfernsprecher aufgewachsen ist. Die Erwartung ist das LehrerInnen von heute den Kindern beibringen wie sie Computer, Tablets, Handys, Internet und soziale Medien zum Lernen verwenden und dabei auch noch sicher unterwegs sind. Was kann da schon schiefgehen wenn die Hälfte der Kids schon uneingeschränkten Zugang zu Endgeräten hat.

MediatorIn: ist ein Job der in einer Schulklasse von heute kaum wegzudenken ist. Rohrstock und Karzer sind zum Glück abgeschafft. Autoritäres Anschreien oder in die Ecke stellen werden in der Regel nicht lange von Eltern toleriert und sind auch keine nachhaltigen Lösungen. Also müssen LehrerInnen hier Fähigkeiten mitbringen Konflikte Gewaltfrei und im Interesse aller Beteiligten, nachhaltig beizulegen.

SozialarbeiterIn: kommt dann ins Spiel wenn die Konflikte in der Gruppe eskalieren oder sich verhärten. Dann ist Teambuilding unter den Kids angesagt. Also Teambuilding mit Kindern die keinen Bock drauf haben, schwer verstehen wozu überhaupt und denen man weder mit theoretischen Wissen helfen, noch ein wirkliches gemeinsames Ziel bieten kann.

In zweiter Instanz braucht es die Rolle auch wenn es darum geht Kinder unterschiedlicher Elternhäuser zusammenzuhalten, oder gar überhaupt diese Elternhäuser zu verstehen und angemessen, differenziert zu behandeln. So hart es klingt aber AkademikerInnen und MindestlohnempfängerInnen haben oft nicht den besten Draht zueinander und haben teilweise ganz unterschiedliche Vorstellungen wie Schule gehen sollte.

TherapeutIn: muss man eigentlich auch sein, denn es gibt vermutlich keine Klasse in keiner Schule die nicht wenigstens ein Kind bei sich hat das mehr Unterstützung braucht als andere und bei denen das Werkzeug des Sozialarbeiters an seine Grenzen stößt.

SchulentwicklerIn: sollte ebenfalls auf der Liste der Rollen stehen. Denn Schule muss sich neu erfinden, Schule ist überholt und dazu braucht es neue Konzepte und Methoden. Da wird schnell in der traditionellsten Schule der Ruf laut, doch bitte nach dem Unterricht noch eine Stunde oder mehr darüber zu brainstormen was man als nächstes umsetzen kann.

Startet man in eine Schulneugründung erst Recht. Nur ist dann der Bedarf nochmal anders denn da müssen sich nicht einzelne Aspekte der Schule ändern, sondern gleich alles neu entwickelt werden.

(Lern)CoachIn: sollte man natürlich ebenfalls sein. Denn Frontalunterricht wird schwerer aufgrund des Personalmangels also müssen die SchülerInnen erst mal des Lernen Lernen um dann ohne Lehrer lernen zu können. Sicher ein schöner Traum denn dann kann LehrerIn von Morgen endlich eine Rolle von der Liste streichen.

Es gibt vermutlich noch viele weitere Rollen. Rollen die man in der Regel auch als Stellenanzeigen ganz für sich allein finden kann. Rollen für die es gezielte Ausbildungen gibt. Rollen in denen man teilweise lange Erfahrung sammeln muss um sie wirklich gut auszufüllen.

Und was bekommen unsere Studenten? Wissenschaftliches Wissen in einem oder zwei Fächern, einen Crashkurs in Pädagogik, Theorie über den Aufbau einer Unterrichtsstunde und ein paar Praktika. Damit schicken wir sie dann in die Schulen und konfrontieren sie mit Eltern und ihren Erwartungen.

Und diese Erwartung ist nicht selten das Potpourri aus Spezialfähigkeiten von dem kein normal denkender Mensch erwarten kann das LehrerInnen diese alle beherrschen können. Aber Eltern sind ja auch keine normal denkenden Menschen.

Und damit mein Fazit: LehrerInnen von heute sind eigentlich mehr als nur Wissenvermittlungsmaschinen. Sie müssen sich vermutlich breiter aufstellen als frühere Generationen. Das zu erwarten ist in meinen Augen fair. Exzellenz auf allen Gebieten aber nicht!

Disclaimer: Kann spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten.

Disclaimer: Meine Informationen zum Aufbau des Studiums bezieht sich auf die TU Dresden und speist sich aus den Erfahrungen einer Lehrerin welche 2009 ihr zweites Staatsexamen abgelegt hat.