Kürzlich trudelte bei uns ein Paket von der IK Industrievereinigung Kunstoffverpackungen e.V. ein. Darin Proben von Kunststoffgranulaten und Informationsflyer mit dem Titel Faktencheck. Der Lehrplan in Sachsen sieht den Rohstoff Plastik in Klasse 3/4 vor. Soweit so sinnvolle, den Rohstoff mal in der Hand zu halten und sich Gedanken zu machen den man jeden Tag auch als Verpackungsmaterial in den Händen hält.

Mit an Board auch eine Broschüre mit dem Titel Faktencheck, aufgemacht als Handychat mit bunten Emojis. Da werde ich neugierig und stöbere ein wenig.

Thema 1 - Fleisch braucht Kunstoffverpackungen

… mit einer guten Verpackung ist es (Fleisch) bis zu 10 Tage länger haltbar …

Das wollen wir natürlich nicht vor allem weil der Flyer erklärt:

… Fleisch verursacht in der Produktion sehr viel CO2. Je weniger wir davon wegwerfen müssen, desto besser ist das für die Umwelt …

Das ist wohl wahr. Da brauchen wir also Plastik damit wir mehr Fleisch produzieren, durch die Gegend fahren und im Kaufland das 40 Quadratmeter Fleischregal füllen können. Sieht ja sonst leer aus.

… Bin ja eh Vegetarier …

Stimmt der braucht kein Fleischregal und keine furzenden Kühe. Der Frager wird aber belehrt:

… was für Fleisch gilt, gilt auch für Obst und Gemüse …

Da frage ich mich dann schon warum die meisten Verpackungen von Obst und Gemüse Löcher für bessere Luftzirkulation brauchen. Könnte man da nicht direkt die Umverpackung weglassen?

Thema 2: Glas ist schlechter als Kunstoff

… ich nehme lieber Glas für die Milch anstatt von Tetrapaks …

Denkt man das ist gut? Natürlich nicht:

… Glas ist ein Energiefresser. Es schmilzt erst bei 1000° C. Außerdem ist es sehr schwer und man verbraucht mehr Energie beim Transport als für die leichten PET-Flaschen …

Stimmt. Wie alles was in dem Flyer steht. Geht man von normalem Konsumverhalten aus, dann stimmt das alles. Geht man von nackten Zahlen aus sieht es tatsächlich mies aus für die Kunststoffalternativen.

Was stört mich also an dem Faktencheck? Er stellt keine Fakten in Relation. Es wird nicht empirisch verglichen. So wird zwar das Glasrecycling als energieintensiv dargestellt aber in keinster Weise aufgezeigt wieviel Energie in das Sortieren, reinigen und aufbereiten von Kunststoffen gesteckt wird. Ganz zu schweigen das die Broschüre die Geschichte vom Recyclingweltmeister aufrecht erhält.

… in Deutschland werden über 50% aller Kunststoffverpackungen recycelt …

Dazu gibt es eine Faktenfinder der Tagesschau von 2020, der schlüsselt das etwa so auf:

  • ca. 60% thermische Verwertung nach der ersten Sortierung
  • ca. 13% nicht nachvollziehbarer Verkauf ins Ausland
  • ca. 13% thermische Verwertung in der Recyclinganlage
  • ca. 13% tatsächliches Recycling

Der Faktencheck erwähnt mit keinem Wort das ganzheitliche Änderungen und ein Umdenken notwendig sind wenn wir unseren Einfluss auf das Ökosystem des Planeten verringern wollen. Es reicht nicht Milch in Glasflaschen quer über den Kontinent zu karren. Sie muss lokal erzeugt werden und die Flaschen nicht recycelt sondern direkt wiederverwendet werden um Ressourcen.

Obst und Gemüse müssen in tatsächlich nicht eingeschweißt werden wie Fleisch würde man es regional und saisonal handeln. Man könnte die Packung also einfach weglassen und zum Transport auf der letzten Meile Stoff oder andere Mehrwegbeutel verwenden.

Würden wir Menschen weniger Fleisch essen, müssten wir weniger davon herstellen und verpacken, sparen also weiter. Würden wir bewusst Fleisch beim Erzeuger kaufen dann müsste man nicht auf Verdacht und auf Vorrat produzieren. Möglichkeiten gibt es genug.

In vielen Großstädten gibt es Verbrauchergemeinschaften wie die VG Dresden oder die an vielen Orten entstehenden Marktschwärmereien. In Randgebieten und auf dem Land findet man allerorten kleine und große Hofläden die regionale und saisonale Produkte verkaufen.

Die Fakten sind nicht falsch und mit Quellen hinterlegt, bestehen also einen Quellencheck, aber ihnen fehlt die Relation und der Kontext. Muss das dieser Flyer? Nein natürlich nicht, denn der Name des Herausgebers ist klar Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V.

In Verbindung mit dem Umstand das dieser Flyer kostenlos von Schulen angefordert werden kann finde ich es aber bedenklich. Denn dieser Faktencheck kann nur als Basis für eigene Recherchearbeit dienen und jemandem der Informationen sucht solches einseitiges Material in die Hand zu geben kann fatal sein. Dabei denke ich an all die PädagogInnen, welche dieses Material dann kopieren und an Schüler der 3ten und 4ten Klassen weiter geben und erinnere mich an die Sachkundelehrerin meiner Kinder in Klasse 2.

Sehr passend zu genau den Inhalten des Flyers gibt es übrigens eine Reportage der Deutschen Welle.