Ich habe den letzten Tagen über den Begriff Solidarität nachgedacht. In meiner Wahrnehmung wird der Begriff oft ohne ein gemeinsames Verständnis verwendet. Doch was ist meine Definition von Solidarität? Ich habe mal ganz neutral ChatGPT dazu befragt und folgende Antwort bekommen die auch zu meiner Vorstellung passt:

 Solidarität bezieht sich auf das Prinzip der Zusammenarbeit und Unterstützung zwischen Individuen oder Gruppen in Zeiten der Not oder Schwierigkeit. Es geht darum, Verantwortung füreinander zu übernehmen und sich gegenseitig zu helfen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

Warum ist das eigentlich so schwer? Warum funktioniert unsere Gesellschaft die, wenn man man den Medien glaubt, eigentlich nur noch von einer Krise in die nächste rutscht nicht schon lange auf dem Prinzip der Solidarität? Sollten all die Krisen nicht Grund genug sein zusammen zu halten? Sollte das nicht ein Grund sein Verantwortung zu übernehmen? Haben wir überhaupt als Gesellschaft ein gemeinsames Ziel?

Ich denke wenn heute von Solidarität gesprochen wird, dann meint man oft Umverteilung von Wohlstand. Ich gehe mal in meine Kindheit zurück. Da gab es die “Kinder in Nicaragua”, die litten unter einer großen Hungersnot. Auf der anderen Seite waren wir in der DDR und wir hatten genug zu essen. Deshalb sollten wir solidarisch mit den Kindern in Nicaragua sein. Wir sollten keine Lebensmittel verschwenden und wir haben Altpapier und den Erlös nach Nicaragua gespendet. Hatten wir da aber ein gemeinsames Ziel? Die Kinder in Nicaragua und wir in der DDR? Nein, wir waren die “Privilegierten” und die waren die “Benachteiligten” und wir haben von unserem Wohlstand abgegeben.

Ein Prinzip das sich mit dem Untergang der sozialistischen Staaten noch verfestig und normalisiert hat. Auch heute sind wir “Privilegierten” weiter nett, spenden ans Kinderdorf und legen unsere alten Klamotten solidarisch in die Kleiderspende. Machen wir damit aber einen Schritt hin zu einer gerechteren Gesellschaft? Lösen wir damit ein Problem? Nein. Wir verteilen Almosen, sicher aus guten Beweggründen aber Solidarität ist das nicht.

Solidarität ist es aus zwei Gründen nicht. Zum einen verfolgen wir als “Privilegierte” mit unserer Handlung nicht das Ziel eine Ungerechtigkeit abzustellen. Im schlimmsten Fall erschaffen wir sogar noch eine Abhängigkeit der “Benachteiligten” von unseren Almosen. Ein solidarisches Ziel innerhalb der Gesellschaft könnte also sein, die Kleiderspende-Container überflüssig zu machen.

Und da sehe ich auch den zweiten Aspekt von Solidarität. Innerhalb der Gesellschaft sollte Konsens dazu herrschen was Probleme, Symptome und Ziele sind. Es macht in meinen Augen wenig Sinn, wenn die “Privilegierten” entscheiden was gerade das Problem der “Benachteiligten” sei und wie man es lösen könnte. Dazu ist das gegenseitige Verständnis voneinander viel zu klein. Im Umkehrschluss wäre es genauso fatal wenn die “Benachteiligten” entscheiden würden wie die “Privilegierten” das Problem lösen müssen. Denn am Ende ist die Lösung eines gesellschaftlichen Problems immer eine gemeinsame Kraftanstrengung.

Dazu kommt, dass unsere Gesellschaft sich an eine ungleiche Verteilung von Macht gewöhnt hat. Gleichzeit ist Macht oft an (finanziellen) Wohlstand gekoppelt. Während also in dieser Wahrnehmung eine Seite für sich beanspruchen kann die Lösung zu haben und durchzusetzen, muss die andere Seite damit leben eben keinen Einfluss zu haben und mit den Konsequenzen klar zu kommen. Kommen nicht beide Seiten zusammen um gemeinsam ein Problem und eine Lösungsmöglichkeit zu identifizieren wird auch keine solidarische Gemeinschaft entstehen.

Im Gegenteil, die Gesellschaft läuft Gefahr sich noch weiter zu spalten. Nicht nur in “Privilegierte” und “Benachteiligte”, sondern in viele kleine Fraktionen die teilweise am gleichen zu arbeiten scheinen, sich aber durch unterschiedliche und konkurrierende Handlungen im Weg stehen uns sich selbst behindern.