Gestern war ich nun in Berlin, entgegen meiner ursprünglichen Planung war ich dann doch mit fast vollem Auto unterwegs statt mit der Bahn zu fahren. Und ich muss sagen es hat sich gelohnt. Wir waren relativ pünktlich zum Demoauftakt am Neptunbrunnen hinter dem Alexanderplatz der schon gut gefüllt war. Auf den ersten Blick wirkte es allerdings mager, zumindest nicht mehr als im letzten Jahr aber der Zustrom von Teilnehmern hinter uns lies noch eine ganze Weile nicht nach und mit Beginn der Demo war schonmal klar das sich die kritische Masse im Gegensatz zum Vorjahr (damals ca. 15.000 Teilnehmer) nochmals vergrößert hatte. Nach ein paar Auftaktworten, dem klassischen Einüben der Parolen wie “Freiheit statt Angst”, “Stoppt den Überwachungswahn”, “Wer heut noch drüber lacht, wird schon morgen überwacht” oder auch “Wir sind sind hier, wir sind laut, weil man uns die Daten klaut” ging es dann los.
Der Tross mit zig Waagen und vielen tausend Demonstranten kam zügig in Bewegung und wälzte sich einem endlosen Heerwurm gleich die Kar Liebknecht Straße in Richtung Brandenburger Tor entlang. Der Zug war bemerkenswert bunt auch wenn die Grünen die Demo scheinbar als Wahlkampfveranstaltung sahen und überall mit Grünen Ballons mit Schäublone und Webseite der Partei verteilten. Zumindest im Vorderen Teil des Zuges blieb es die ganze Demo lang ruhig. Trotz grimmig dreinschauender Polizei kam es nach meiner Beobachtung zu keinen Ausschreitungen seitens der Ordnungsmacht wie im letzten Jahr. Wie scheinbar typisch für so große Aufzüge waren Parolen leider eher Randerscheinungen und wurden nicht von der Masse sondern nur von den Lautis und einzelnen Gruppen getragen. Spass hat es trotzdem gemacht bei teilweise guter Musik, strahlendem Sonnenschein mit dem Strom zu schwimmen.
Eindrucksvoll war schließlich das Ende der Demonstration. Der Zug führte nicht direkt zum Pariser Platz sondern über die Scheidemannstraße am Bundestag vorbei in einer großen Kurve um das Brandenburger Tor zum Pariser platz. Als dieser schon überwiegend voll war konnte man durch die Baustelle am Brandenburger Tor noch nach Ende des Demozuges sehen der erst nach einer gefühlten Ewigkeit vollständig auf der Straße des 17. Juni Platz fand. Dann war aber auch Zeit für die Abschlussreden im Licht der untergehenden Sonne die den Zug die ganze Zeit begleitet hatte. Die Reden waren flammend wie erwartet und mit Rednern wie Dr. Motte, Monty Cantsin, Ralf Bendrath oder Patrick Breyer gut besetzt. Wahrlich peinlich war jedoch der Mensch von den Montagsdemos das Thema Überwachung mit genau einem Satz Anschnitt und mit seinem monotonen Vortrag gefühlt dafür sorgte das sich der Platz anfing zu leeren.
In der Nachlese finde ich wieder die Recherchen der Medien erschreckend, die Tagesschau übernimmt tatsächlich die erste beste Schätzung von Teilnehmern und plappert von 12.000 Teilnehmern. Selbst die Polizei korrigierte inzwischen inoffiziell ihre Schätzung auf 50.000 Teilnehmer, padeluun vom AK-Vorrat sprach gar davon die magische Grenze von 100.000 Teilnehmer erreicht zu haben. Mir persönlich ist es nun egal ob es 100- oder 50-tausend Menschen waren. Am wichtigsten war das es nicht nur schwarz gekleidete Autonome, Informatiker oder Verschwörungstheoretiker auf die Straße getrieben hat, sondern ganz normale Menschen die langsam, auch Dank der Pannen bei Telekom und Co. langsam sensibel auf das Thema reagieren.
Und ja der Marsch wurde wahrgenommen, nach der Demo saßen wir noch auf der Karl Liebknecht Straße bei einer Currywurst und unterhielten und noch mit zwei Finnen die sich selbst von den Ausmaßen des Zuges überwältigt sahen und glatt ein Erinnerungsfoto von den abgekämpften Demonstranten machen wollten.